Für niedergelassene Ärzte, Fortbildungsveranstaltung
Viertes Bad Schönborner Forum Orthopädie/Unfallchirurgie informierte umfassend über Versorgung von Major Amputationen der unteren Extremitäten
In der Bundesrepublik Deutschland werden jährlich ca. 60 bis 80.000 Amputationen der unteren Extremitäten durchgeführt. In etwa 90 % der Fälle liegt eine Durchblutungsstörung vor in Zusammenhang mit einem bestehenden Diabetes mellitus zu Grunde. Die restlichen Ursachen teilen sich in Unfälle, Verletzungen und Entzündungsprozesse auf. Dr. med. Halil Krasniqui, Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie, vaskuläre und endovaskuläre Chirugie des Heliosklinikums Pforzheim war einer der Experten, die auf Einladung von Dr. med. Achim Noltze, Chefarzt der Klinik für Orthopädie an den cts Sankt Rochus Kliniken beim 4. Bad Schönborner Forum für Orthopädie und Unfallchirurgie über die neuesten Erkenntnisse auf dem Gebiet der Majoramputationen der unteren Extremitäten referierten. Umfassend informierte er in seinem Vortrag über die Behandlungsmethoden und Operationstechniken. Außerdem zeigte er ausführlich die Wiedereinstellung der Durchblutung bei Durchblutungsstörungen in den unteren Extremitäten. Weiterhin erläuterte er die bestmöglichen Behandlungsmethoden bei nicht mehr revaskularisationsfähigen Beinen und die Möglichkeit diese Patienten anschließend wieder in einen normalen Alltag zu integrieren.
Um die Rehabilitation älterer Menschen mit dem integrierten Versorgungskonzept „Zurück ins Leben“ ging es im Vortrag Dr. Oliver Maier-Börries, ärztlicher, Direktor der cts Rehakliniken Baden Württemberg, Chefarzt Orthopädie cts Klinik Stöckenhöfe und Lehrbeauftragter für Rehabilitation an der Uni Freiburg. In seiner Einführung erläuterte er die Problematik multimorbider Patienten, die neben einem Diabetes mellitus oftmals unter einer dialysepflichtigen Niereninsuffizienz oder einer Polyneuropathie (Missempfindungen wie Kribbeln oder Brennen in den entsprechenden Körperteilen) leiden, multiple Voroperationen hatten oder eine ausgeprägte Teilhabestörung aufweisen. Im Durchschnitt sind die Patienten bei der Amputation 72 Jahre alt, wobei der Anteil der Frauen bei 70 %, der der Männer bei 30 % liegt. Die Mortalitätsrate innerhalb 2 Jahren nach Rehabilitationsbeginn liegt bei 31 %. Eine Versorgungslücke zeigte er auf, wenn Patienten zu früh oder beispielsweise durch eine zwischenzeitliche Kurzzeitpflege zu spät aber auch mit falschen Erwartungen in die Rehabilitation kommen. Das Pilotprojekt „Zurück ins Leben“ sieht nach einer ersten zweiwöchigen Phase, in der der Abschluss der Wundheilung, die Stumpfformung, die Beseitigung von Gelenkkontrakturen, eine Verbesserung der kardiopulmonalen Belastbarkeit und einem Rollstuhltraining erfolgen ein Assessment vor. Hier werden die Erfolgsaussichten der Prothesenversorgung geprüft. Wenn diese möglich ist, folgt nach der Versorgung einer zweiten dreiwöchige Rehaphase, die Prothesen und Rollschultraining sowie eine Gangschulung beinhaltet.
Zusätzlich konsultiert der Patient eine interdisziplinäre Amputationssprechstunde. Zur Stumpfformung erhält der Patient einen Silikonkompressionsliner, der größtenteils unabhängig vom Anwender eine gleichmäßige Druckverteilung ermöglich. Zu den Therapieangeboten gehört ein sensomotorisches Training sowie die von V.S. Ramachandran entwickelten Spiegelmethode, die der Linderung von Phantomschmerzen dient, Ergotherapie und Alltagstraining. Die Orthopädietechnikmeister Tobias Bauer und Benjamin Born und der Firma Storch und Beller in Karlsruhe stellten danach die Kompressionstherapie genauer vor, die die für eine beschleunigte und effektivere Ödemreduktion, eine schnellere Wundheilung und Stumpfskonditionierung sorgt. Der Patient hat weniger Schmerzen und der Heilungsprozess wird beschleunigt. Die prothesenschaftgerechte Stumpfformung führt zudem zu einer höheren Akzeptanz.
Nach ärztlicher Erlaubnis und sobald die Drainage gezogen wurde, kann mit der Kompression begonnen werden, dabei können allerdings Faktoren wie die Durchblutung am Stumpfende diese verzögern oder sogar ein Ausschlusskriterium sein. Er stellte die Vor- und Nachteile von post-OP-Linern denen des Wickelns gegenüber. So gibt es bei post-OP-Linern, die mehrfach täglich vom Patienten angelegt werden können, für eine immer gleiche Kompression sorgen und auch Narben reduzieren den Nachteil der Eigenschweißreaktion und einen starken Druck auf die Patella bei Streckdefizit. Beim Wickeln wiederum, das mehrmals täglich von Fachpersonal durchgeführt werden muss, kann es zu Einschnürungen kommen oder proximal mehr Druck als distal entstehen, wenn nicht immer gleich gewickelt wird. Die Vorteile liegen bei einer besseren Atmungsaktivität und dass diese Methode auch bei einem starken Streckdefizit angewendet werden kann. Die Kompressionstherapie führt zu weniger Volumenkorrekturen im Prothesenschaft und durch Zeitersparnis sowie möglichem Wiedereinsatz der post-OP-Liner zu einer Kostenreduzierung.
Die Prothesenversorgung wird zeitlich immer mehr in die Reha verschoben, da durch eine zu frühe Anpassung im Akutkrankenhaus sonst wertvolle Reha-Zeit verloren geht. Das Ziel sei es, führte Bauer aus, durch ein effektives Zeitmanagement zwischen Amputation und Versorgung für die meist älteren und multimorbiden Patienten, eine möglichst lange Reha, ohne Unterbrechung möglich zu machen. Zunächst wird eine Interimsprothese zur Definition der Stumpfform angefertigt, da dieser im ersten halben Jahr die größten Veränderungen aufweist. Der Schaft aus Carbon kann jederzeit angepasst und Passteile gegebenenfalls einfach ausgetauscht werden. Diese Anpassung der Statik bringt große Vorteile bei der Findung des Aktivitätsniveaus beim Neuerlernen des Gehens. Anhand vieler Folien zeigte er die Anfertigung dieser Interimsprothese und die Modellierung des Schaftes mit dem CAD (Computer Aided Design) Programm. Die Verwendung der Gießharztechnik sorgt für eine höhere Stabilität und eine höhere Patientenakzeptanz der Prothese durch eine schönere Optik. Abschließend stellte er einen 66 Jahre alten Patienten vor, der 2006 links und 2016 rechts Unterschenkel amputiert wurde. Anhand dieser doppelseitigen Prothesenversorgung, die links schon mit einer Definitivprothese erfolgte und die rechts in Arbeit ist, zeige er die positiven Ergebnisse nach einer Reha mit post-OP-Linern und Interimsversorgung.
Die AOK Gesundheitskasse hat zu dem neuen Konzept eine Studie in Auftrag gegeben.
Der Sportwissenschaftler Dr. Gerhard Müller präsentierte abschließend die Ergebnisse der Evaluation, die in Kürze veröffentlicht werden. „Es kann schon jetzt gesagt werden, dass durch die integrative Versorgung „Zurück ins Leben“ bei vielen Teilnehmern die Lebensqualität verbessert werden kann“, führte er aus.
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